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René Albani

Rene Albani

René Albani

„Die Haselmaus turnt lieber in den Bäumen und im Geäst herum. Sie bewegt sich gar nicht gerne auf dem Boden.“

Grüne Autobahnen

Am Waldesrand ist meistens Schluss. Asphalt und Agrarflächen in sengender Sonne statt schattenspendender Hecken und Gehölzstrukturen, durch welche die Haselmaus in andere Gebiete gelangen könnte, wenn die Wanderlust sie packt. René Albani, Naturschützer, Landschaftspfleger und Geschäftsführer des LPV Westsachsen e.V., weiß, wie Menschen für diese EU-weit geschützte Artengruppe zu Wegbereitern werden.

Roter Fingerhut säumt den Weg, als sich Nathalie Michel und René Albani im Werdauer Wald mit Stift und Klemmbrett dem ersten Nistkasten nähern. Was auf den ersten Blick aussieht wie ein Vogelhäuschen ist für Piepmätze eher ungünstig. Zwar ist das Holzhäuschen in beachtlicher Höhe an einem Baum angebracht, seinen Eingang hat es aber an der Rückseite. Hier soll jemand anderes einziehen. „Die Haselmaus turnt lieber in den Bäumen und im Geäst herum. Sie bewegt sich gar nicht gerne auf dem Boden“, erläutert René Albani, während er den Nistkasten mit der Ziffer 1 herunterpflückt und das Loch mit einem Tuch verschließt. Denn, was die Haselmaus bei einer Wohnungsbesichtigung nicht ahnt: Ein- bis zweimal im Jahr kommen freundliche Menschen vom LPV Westsachsen e.V. vorbei, um mal kurz nachzusehen, ob sie auch wirklich eingezogen ist. Haselmaus-Monitoring nennen Nathalie Michel und René Albani diese Aufgabe. Allein im Werdauer Wald an der Grenze zu Thüringen hat der LPV Westsachsen e.V. in Kooperation mit dem DVL Landesverband Sachsen und dem Landkreis zu diesem Zweck etwa 100 Nistkästen auf verschiedenen Flächen angebracht. Im gesamten Landkreis sind es etwa 250. Sie alle werden regelmäßig kontrolliert, um Informationen darüber zu gewinnen, wie gut es der Haselmaus in diesem Landstrich geht.

Eine Charakterart

Seit ungefähr zwölf Jahren gehen die Haselmaus-Bestände hier zurück. Der Verbreitungsschwerpunkt dieser Art konzentriert sich nun auf durchgehende Waldgebiete wie den Werdauer Wald. Mit seinen 62 km2 ist er eine grüne, schattige Insel inmitten einer sonst stark landwirtschaftlich genutzten Landschaft. Hier im Dickicht von Kiefern, Fichten, Buchen und Eichen, wo Sonne und Blätterdach ein geheimnisvolles Schattenspiel aufführen, findet die stark bedrohte Haselmaus noch adäquate Bedingungen. Das ist auch gut für andere Tiere. „Die Haselmaus ist eine Charakterart für arten- und strukturreiche Laubmischwälder. Dort, wo sie vorkommt, gibt es auch sehr gute Lebensbedingungen für viele andere Tierarten“, unterstreicht René Albani. Zudem sei die Haselmaus europaweit geschützt. Auch im Freistaat Sachsen gilt sie als prioritäre Schutzgutart. Der besondere Schutzstatus rechtfertigt die aufwendigen Monitoring-Maßnahmen: „Wir müssen wissen, wo die Haselmaus vorkommt, um passende Schutzmaßnahmen für sie zu initiieren.“

Der erste Nistkasten ist bis auf ein paar Blätter leer. Eine Geruchsprobe bestätigt, was René Albani schon vermutet hat. „Hier drin war definitiv keine Haselmaus, denn es riecht nach Urin. Haselmäuse sind sehr reinliche Tiere.“ Gelbhalsmäuse oder Waldmäuse dagegen pullern schon mal dort, wo sie schlafen. Vermutlich hat sich in diesen Kasten also zwischenzeitlich eine andere Art eingemietet.

Der kleinste heimische Schläfer

Im nächsten Nistkasten duftet es viel versprechend nach Blättern und Moos. „Haselmäuse machen wirklich ein schönes Kugelnest“, freut sich René Albani über das kleine Kunstwerk im Inneren des Kastens. „Sie verflechten die Materialien. In der Mitte ist feineres Material wie Gras, wie bei einem Vogelnest. Und außenherum sind dann oft frische Buchenblätter und Moos.“ Und auch die Haselmaus selbst gleiche einer Kugel, wenn man ihr bei den Herbstkontrollen kurz vor ihrem halbjährigen Winterschlaf begegnet. „Sie müssen sich bis Oktober richtig vollfressen, damit sie den Winter gut überstehen.“

Doch auch wenn das angefangene Nest im Kasten darauf hinweist, dass hier eine Haselmaus gewesen sein könnte, ändert es nichts: Auch dieses Mal muss Nathalie Michel, DVL-Regionalkoordinatorin, die für den LPV Westsachsen e.V. anteilig Projekte mitbetreut und auch als Landschaftspflegerin im Einsatz ist, auf ihrer Liste einen Strich machen. Keine Haselmaussichtung. Doch dann rappelt es in Kiste Nr. 8. „Es waren eigentlich zwei adulte Haselmäuse, die eine ist aber gleich geflüchtet“, lacht René Albani, sichtlich erleichtert ob des Fundes. Die andere Haselmaus kann er sich kurz genauer ansehen. Ausgewachsene Haselmäuse seien nicht viel länger als sieben Zentimeter, erläutert er, damit sei sie der kleinste heimische Schläfer, auch Bilch genannt. Überhaupt ist die Haselmaus – auch wenn es ihr Name anders vermuten lässt – keine Maus im eigentlichen Sinne, sondern direkt mit dem Siebenschläfer verwandt. Genauso mit dem Gartenschläfer. Ihn habe es bis vor zehn Jahren noch in der Sächsischen Schweiz gegeben. „Aber den hat man schon seit Jahren nicht mehr gefunden“, seufzt René Albani.

Das Wandern erleichtern

Der Haselmaus soll es anders ergehen, auch wenn die Art in der Agrarlandschaft jenseits des Werdauer Waldes nicht mehr vorkommt. „Da fehlen Heckenstrukturen, da fehlen Gehölzsäume“, mahnt René Albani und ist längst dabei das zu ändern. Denn der Klimawandel könnte dazu beitragen, dass die Art in kühlere Lebensräume ausweichen möchte, dazu aber nicht in der Lage ist. Und schon wird aus dem bewaldeten Refugium ein Gefängnis. „Dann kommt sie hier nicht weiter. Da fehlen dann Verbindungsflächen“, bringt es René Albani auf den Punkt.

 

Die Lösung des LPV Westsachsens e.V.? Das Anlegen von Heckenstrukturen, die eine Brücke zwischen Waldgebieten bauen. Das Schaffen eines grünen Netzwerks, am liebsten fünf Meter breit, bestehend aus heimischen Baum- und Straucharten, gerne fruchtreich, damit sich die Haselmaus zuverlässig ihren Winterspeck anfuttern kann. Oder wie René Albani sagt: „Grüne Autobahnen, auf denen die Haselmaus in die Landschaft hineinspazieren und so neue Lebensräume finden kann.“

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