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Maik Werner und Thomas Hetzel

Maik Werner

Maik Werner

„Aufgrund der Beschaffenheit der Hörner können sie entbuschen und strukturieren so die Landschaft“

Thomas Hetzel

Thomas Hetzel

„Es gibt neue Vögel, die hier vorher nicht gebrütet haben. Wir haben wieder Insekten, die man hier vorher nicht gesehen hat.“

Schottische Landschaftspfleger

Ziehen ein Landschaftspflegeverband, ein Landwirtschaftsbetrieb, die Stadtverwaltung, eine Naturschutzstiftung, aktive Ehrenamtliche und Behörden gemeinsam an einem Strang, kann Großes gelingen. So passiert ist das zum Beispiel im Landschaftsschutzgebiet Hirschgrund in Oberlungwitz. Hier kommt auf einer Fläche zusammen, was zusammengehört: Naturschutz, Naherholung und Landwirtschaft.

Schottische Hochlandrinder im Oberlungwitzer Hirschgrund? Die Idee sei anfangs nicht bei allen gut angekommen, gibt Bürgermeister Thomas Hetzel zu. „Wir mussten natürlich im Stadtrat Überzeugungsarbeit leisten, genauso bei unseren Bürgerinnen und Bürgern, weil die Flächen neu genutzt werden sollten.“ Zum Glück gab es jedoch ein Happy-end, vor allem einen Konsens. „Wenn einmal bestimmte Gewohn- und Gepflogenheiten über den Haufen geworfen werden, merken die Leute schnell, dass viel Gutes mit solchen Projekten einhergeht“, so Thomas Hetzel. Mit „solchen Projekten“ meint der Bürgermeister die sukzessive Umgestaltung und Renaturierung der Hirschbach-Aue am südöstlichen Rand von Oberlungwitz zu einem Landschaftsschutzgebiet. Vorher hätten bereits ein Wildbienen-Projekt und das Anlegen erster Blühwiesen im Stadtgebiet in der Bevölkerung Verständnis für Naturschutzthemen geschaffen.

Für das ambitionierte sächsische Naturschutz-Förderprojekt „Der Hirschgrund Oberlungwitz-Dreiklang aus Naturschutz, Landwirtschaft und Erholungsraum.“ klopfte der Landschaftspflegeverband Westsachsen e.V. als Projektträger vor einigen Jahren bei Thomas Hetzel an. Das Anliegen: Ob die Stadt neben dem ortansässigen Landwirtschaftsbetrieb, der Agrargenossenschaft Lungwitztal eG als Flächenverkäuferin und der Stiftung Pro Artenvielfalt als Käuferin sowie finanzielle Unterstützerin das Projekt nicht mit umsetzen wolle?

Ein weiterer Partner auf dem Weg zur naturschutzgerechten Bewirtschaftung des Hirschgrundes ist Maik Werner, Leiter des Landwirtschaftsbetriebs Grüne Aue Highland Cattle und seit rund 13 Jahren Spezialist für extensive Naturschutzbeweidung. Denn auch im Hirschgrund sind die Schottischen Hochlandrinder von der Grünen Aue mittlerweile ganzjährig im Einsatz.

Jatzek und die anderen Jungs

Zuchtbulle Balboa weidet seit vier Jahren hier. Seine stattlich geschwungenen Hörner lassen keinen Zweifel daran: Er ist hier der Chef im Hirschgrund und Anführer einer kleinen Jungbullenherde. Wenn man so wolle, sei er auch ihr Kindergärtner, scherzt Landwirt Maik Werner, seines Zeichens offenbar Chef-Chef. Denn in Maik Werners hoch gewachsener Anwesenheit wird auch ein Gigant wie Balboa zum zahmen Lämmchen. Zufrieden und zutraulich lässt er sich von Maik Werner kraulen und gönnt sich eine Auszeit vom Aufpassen.

Anders die Jungbullen. Mit ihrer einjährigen Lebenserfahrung sind sie noch sehr neugierig, vor allem übermütig. Von Balboa lernen Duke, Earl, Ursus, Jatzek und die anderen Jungs aber, wie sie sich kooperativ in der Herde verhalten. Auch ihretwegen sei der Hirschgrund längst zu einer überregionalen Attraktion geworden, sagt Thomas Hetzel. Auch er darf Balboa kraulen. Man kennt sich. Ein Hingucker ist der schottische Highland-Adel auf jeden Fall. Mit hübschen Locken im zottigen, braunen Fell, die schon mal neckisch in die Augen hängen, kommt die Herde recht niedlich daher. Ihre eigentliche Aufgabe erledigen sie ganz nebenbei. Denn Balboa, Jatzek und Co. können mehr – nicht nur, weil sie so ziemlich jeder Witterung trotzen und ganzjährig draußen leben können. „Sie sind extrem gut angepasst an solche Gebiete wie hier im Hirschgrund, wo endlich wieder Natur einzieht“, erläutert Maik Werner. „Aufgrund der Beschaffenheit der Hörner können sie entbuschen und strukturieren so die Landschaft.“ Die Beurteilung fällt eindeutig aus: „Sie sind die perfekten Landschaftspfleger.“

„Mehr Schiss, mehr Biss“

Noch sei es eine Nische, verrät Maik Werner, dass man Flächen nur mithilfe von Tieren pflegt, ganz ohne Maschinen einzusetzen, ganz ohne Ressourcen zu verbrauchen. Dabei sei genau das die ursprüngliche Form der Rinderhaltung, als Herden noch in den Wald und nicht etwa auf die Weide getrieben wurden. In der Landschaftspflege sei es wichtig, dass die Rinder wieder da sind: „Mehr Schiss, mehr Biss. Das ist so ein typischer Spruch. Aus den Kuhfladen entstehen extrem viele Insekten. Das wiederum brauchen die Vögel, davon profitieren Amphibien, die nun mehr zu futtern haben“, erläutert Maik Werner. Thomas Hetzel bestätigt die positive Wirkung der Beweidung: „Es gibt neue Vögel, die hier vorher nicht gebrütet haben. Wir haben wieder Insekten, die man hier vorher nicht gesehen hat.“

Ergänzt wird die Arbeit der Hochlandrinder von weiteren Maßnahmen, die das Gebiet neu strukturieren. Hecken und Kleingewässer wurden auch durch das Projekt des Landschaftspflegeverbandes angelegt sowie ein Naturlehrpfad mit Schautafeln entwickelt.  „Wir haben in der Stadt eine Stelle für das Thema Umwelt und Naturschutz geschaffen, damit wir nicht nur hier im Hirschgrund solche Projekte umsetzen können, sondern auch im ganzen Stadtgebiet“, unterstreicht Thomas Hetzel. Dabei will er insbesondere die nachfolgenden Generationen in Oberlungwitz mitnehmen und für den Natur- und Artenschutz begeistern, damit Projekte wie der Hirschgrund auch in Zukunft weiter Bestand haben können. Dazu werden Schulen und Kindergärten immer wieder eingeladen, das Gebiet zu erkunden und hier Projekte umzusetzen.

Aus der Stadt in die Natur, für Thomas Hetzel bleibt das der Weg, den er in Oberlungwitz gehen möchte. Er freut sich besonders, dass mit den jüngst umgesetzten Maßnahmen nicht nur das Landschaftsschutzgebiet enorm aufgewertet wurde, sondern auch eine lauschige Erholungsfläche für die Einwohnerinnen und Einwohner seiner Stadt entstanden ist. Das Projekt selbst hat für ihn fast schon Best Practice-Charakter. „Wir können hier zusammen Natur umfassend erleben und dabei anschaulich nachvollziehen, was im Naturschutz alles möglich ist, wenn man nur will.“

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